Stefan Wewerka, Wewerka Pavillon, 1987, 51°57'10.2"N 7°36'16.08E

Stefan Wewerka, Wewerka Pavillon, 1987

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Stefan Wewerka (1928–2023) ist bekannt für seinen fast schon dekonstruktivistischen Umgang mit dem Alltäglichen. Während seiner knapp sechs Jahrzehnte andauernden Schaffensperiode nutzte er praktisch jedes künstlerische Medium und Ausdrucksmittel: Von der Architektur kommend arbeitete Wewerka als Innenarchitekt, Designer und Modemacher, aber ebenso als Bildhauer, Maler und Grafiker, Filmemacher, Objekt- und Aktionskünstler. Dabei kommentierte und prägte sein multimediales Schaffen auf eine ihm typische Weise die künstlerischen Entwicklungen seiner Zeit. Den Münsteraner:innen hingegen ist er wohl am besten durch den Wewerka Pavillon am Aasee bekannt.

Im diesem fusioniert das Interesse an Architektur mit der Erschaffung eines einzigartigen Ausstellungsraums. Als baugeschichtliche Besonderheit fällt auf, dass der Pavillon in seiner Form zweimal realisiert wurde: Zunächst 1985 auf dem Gelände des Firmensitzes von TECTA-Möbel KG, danach unter dem Titel documenta Pavillon 1987 für die documenta 8 in Kassel. Letzterer ist es, der heute am Aasee in Münster steht. Nach der Schau hat ihn der Eigentümer – die Firma TECTA – 1989 der Stadt Münster auf unbestimmte Zeit geliehen.1 Im Gegenzug sind sowohl die Stadt Münster für dessen Erhalt sowie die Instandhaltung verantwortlich. Seit seiner Aufstellung in Münster 1989 wird der Pavillon durch die Kunstakademie Münster als ständiger Ausstellungsort bespielt. In diesem Format haben Studierende die Möglichkeit eigene Projekte zu realisieren und Erfahrungen im Ausstellen ihrer Arbeiten zu sammeln.

Die quaderförmige Skulptur besteht aus Glasfenstern, eingelassen in eine Stahlkonstruktion und überdacht mit einer „Fischbauchträgerdecke“ – ein Begriff, den Wewerka selbst für diese Konstruktion wählte. Die so gewonnene Durchlässigkeit von Licht und Umgebung löst bestehende architektonische Grenzen auf, verleiht der Konstruktion etwas Ephemeres und lässt das Innere zu einem lichtdurchfluteten Ausstellungsraum werden. Gleichzeitig fügt sich das Objekt in seine Umgebung ein, nimmt sie in sich auf und spiegelt sie zurück. Die architektonische Besonderheit hinsichtlich der Doppelfunktion als Vitrine und eigenständigem skulpturalen Objekt macht es möglich, dass ausgestellte Kunstwerke buchstäblich aus allen Perspektiven von außen sichtbar und somit allzeit einsehbar sind.2 1992 wurde Stefan Wewerka für den Pavillon mit dem Architekturpreis des BDA Münster (Bund Deutscher Architektinnen und Architekten) ausgezeichnet.3

Wewerka entstammte einer Künstlerfamilie, schon sein Vater war als Bildhauer tätig. Er selbst studierte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Architektur an der Hochschule für Bildende Kunst Berlin. Nach seinem Abschluss arbeitete er für einige Zeit in verschiedenen Architekturbüros, bevor er sich ab Ende der 1950er Jahre gänzlich der freien Kunst zuwandte. Er bezeichnete sich zeitlebens als Bildhauer und verweigerte sich der Bewertung als Designer, die auf seine Experimentierfreude mit Mobiliar zurückzuführen ist. Diese Zuschreibung haftete jedoch spätestens seit der Zusammenarbeit mit dem Möbelhersteller TECTA im Jahr 1978 an seiner Person. Gemein ist Wewerkas skulpturalem Werk, dass es nie den Realitätsbezug verliert. Ob Stühle, Tische, Kleiderbügel oder sogar Geldmünzen – die Gegenstände bleiben trotz des künstlerischen Eingriffs immer erkennbar. Gleichwohl sind es die Sichtweisen und Funktionen, die er aushebelt und vollkommen neu denkt.

Jana Peplau

Leihgabe der Firma TECTA-Möbel KG

1

Vergleiche hierzu: Wewerka-Archiv. In: Entwurfszeichnung für den Tecta-Pavillon [Stand: 20.10.2023].

2

Vergleiche hierzu: Tecta. In: Wewerka Pavillon für Tecta [Stand: 12.11.2023].

3

Vergleiche hierzu: Tecta: Stefan Wewerka [Stand: 20.10.2023].