Oscar Tuazon, Burn the Formwork, 2017, 51°56'50.5"N 7°38'38.4"E
Oscar Tuazons (geb. 1975) skulpturale Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle zur Architektur und entstehen in Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Ausstellungskontextes. Die Konstruktionen aus Holz, Beton oder Stahl charakterisiert eine raue Materialität, an der sich Produktionsspuren und konstruktionsbedingte Ermüdungserscheinungen ablesen lassen. Die Arbeiten rekurrieren auf das Vokabular des Minimalismus, begegnen dessen steriler Ästhetik aber mit einem handlungsorientierten Skulpturbegriff, dem Tuazons Aussage „I think with my hands“ greifbare Dimension verleiht.
In Münster installierte der Künstler auf einer Industriebrache am Kanal – einem undefinierten Areal, das von verschiedenen Personengruppen genutzt wird – ein Betonobjekt, das als öffentliche Feuerstelle verwendet werden kann. Die zylinderförmige Skulptur ermöglicht Nutzungen als Grill, Aufwärmplatz und Aussichtsturm. Das Zentrum der Arbeit, deren reduzierte Form aus ihrer Funktion resultiert, bildet eine schornsteinartige Säule mit integrierter Feuerstelle. Eine in großen Stufen spiralförmig aufsteigende Treppe, die eine seitliche Mauer umschließt, umgibt den Kamin zu etwa zwei Dritteln. Durch ein Rohrsystem wird die Abluft unterhalb der Stufen zum Kamin transportiert.
Die Arbeit führte Tuazons Beschäftigung mit provisorischen Außenraumstrukturen fort, wie er sie bereits auf der Biennale in Venedig 2011 oder dauerhaft im Brooklyn Bridge Park installierte. Steht bei diesen Betonpavillons die Funktion als elementare Schutzhütte und Treffpunkt im Mittelpunkt, trat in Münster das Moment der aktiven Benutzung der Arbeit hinzu. Ebenso, wie bei der Herstellung die körperliche Erfahrung von zentraler Bedeutung für Tuazon ist, zielte die Arbeit in ihrer offenen Dynamik auch auf eine unmittelbare, lebensnahe Rezeption durch Gebrauch, die – im Gegensatz zur künstlerischen Praxis der Relational Aesthetics – nicht in erster Linie an ein Kunstpublikum adressiert ist. Der wärmespendenden Skulptur, die als offizielle Architektur im regulierten städtischen Raum kaum denkbar wäre, kommt eine soziale Dimension zu. Sie implizierte eine Form von Partizipation, die sich der Kontrolle ebenso entzieht, wie der Zustand des Niemandslandes, und damit auch Reibungspotenzial aufweist. Über das archaische Motiv der Feuerstelle verweist sie auf eine gemeinschaftsstiftende Aktivität. Zugleich mutet sie wie ein skulpturaler Nachhall auf selbstgeschaffene, mit Gegenkultur und Aussteigertum verbundene Basisarchitekturen an, die von pragmatischer Improvisation gekennzeichnet sind. Sich selbst überlassen, entwickelte die Arbeit – von der in ihrer rohen Gestalt inmitten des peripheren Terrains ein ruinöses, entropisches Moment ausgeht – ein Eigenleben.
Andreas Prinzing
Dieser Beitrag ist für das Skulptur Projekte Archiv entstanden und wurde der Kunsthalle Münster zur Verfügung gestellt. Auf der Website des Skulptur Projekte Archiv sind alle Werke zu finden, die zur Öffentlichen Sammlung der Skulptur Projekte gehören.