Kaspar Thomas Lenk, Skulptur-Raum-Konzeption, 1972, 51°57'52.3376"N 7°37'45.8112"E

Kaspar Thomas Lenk, Skulptur-Raum-Konzeption, 1972. Installationsansicht

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Mit dem Werk Skulptur-Raum-Konzeption aus dem Jahr 1972 schuf Kaspar Thomas Lenk (1933–2014) im Zuge des Baus des Kleinen Hauses des Theater Münster seine erste große architekturbezogene Arbeit. Der Bildhauer und Grafiker, der insbesondere für seine Stapelskulpturen bekannt ist, ließ sich bei der Konzeption seines Werks von den architektonischen Merkmalen des vorgegebenen Raumes inspirieren: Dreiseitig vom alten wie neuen Foyer des Stadttheaters umgeben wird dieser auf der vierten Seite von der barocken Ruinenfassade des Romberger Hofes begrenzt. Nachdem dieser im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden war, wurden die zerstörten Elemente abgetragen und die erhaltene Fassade der Ruine in den 1956 eröffneten Neubau des Stadttheaters integriert. Angrenzend liegt das sogenannte Kleine Haus, das 1971 als zweite Spielstätte für zeitgenössische, experimentelle Theaterformen errichtet worden war. Dieses wurde sowohl zum Ausgangspunkt aber auch zur Herausforderung für Lenks ortsspezifischen Arbeit wurde. Der erhöhte Platz des Innenhofes, bietet durch die verschiedenen architektonischen Besonderheiten und räumliche Begrenzungen facettenreiche Merkmale, die Lenk in seiner Arbeit spielerisch aufnimmt und befragt.

Die Säule, als Element der Ruine, diente ihm als Ausgangsmotiv. Das Werk umfasst drei Säulenpaare, die aus aufeinandergeschichteten runden Betonscheiben bestehen und leicht versetzt aber dennoch auf einer Linie platziert sind und so die Distanz zwischen antiker Ruinenfront und Neubauten unterteilen. Durch die Platzierung der Säulen fordert der Künstler bewusst die starre Struktur des Innenhofs heraus und erzeugt gleichzeitig ein Spannungsverhältnis zwischen alter und neuer Architektur sowie materieller Festigkeit und Bewegung. Dies gelingt ihm durch die regelmäßige Verschiebung der übereinanderliegenden Betonplatten der Säulen, wodurch die Säulenpaare eine schräge Neigung einnehmen, die die Plastiken in einem labilen Gleichgewicht erscheinen lassen. Die kippende Ausrichtung der Betonplatten steigert sich innerhalb der drei Säulenpaare zusehends. Das Prinzip der Schichtung bestimmt nicht nur dieses Werk von Lenk und die entsprechende Schaffensphase, sondern ist zu seinem unverkennbaren Markenzeichen geworden. Es erlaubt Lenk einerseits einen bewegten Raum in verschiedensten Variationen darzustellen, während er andererseits auch die Instabilität des Beständigen, wie die klassische horizontale Säulenkannelierung, sichtbar machen kann.

Kasper Thomas Lenk verwendet auch in seinen grafischen Arbeiten gestapelte Motive, die denen seiner Skulpturen ähneln. Dabei setzt er zusätzlich leuchtende Farben als Kontrast zu industriellen Hintergründen ein. Diese Arbeiten erregten internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung, was dazu führte, dass er 1968 zur 4. documenta nach Kassel eingeladen wurde und 1970 zusammen mit den Künstlern Heinz Mack, Georg Karl Pfahler und Günther Uecker den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig vertrat.

Constanze Venjakob