George Rickey, Three Squares Gyratory II, 1973-1975, 51°57'27.2"N 7°37'49.8"E

George Rickey, Three Squares Gyratory II, 1973-1975. Installationsansicht

Credit

Auf der Engelenschanze, einer Grünanlage an Münsters Promenade, befindet sich die Skulptur Three Squares Gyratory II des US-amerikanischen Künstlers George Rickey. Bereits ihr Titel funktioniert als Beschreibung des Werks, denn schon bei dem geringsten Windhauch bewegen sich die drei Quadrate aus Edelstahl – unbeschwert, fast tänzerisch. Befestigt in drei Metern Höhe an einer Stange desselben Materials, bemerkt man erst auf den zweiten Blick, dass es sich hierbei um Pendelbewegungen handelt. Diese folgen dem Prinzip des Verbundpendels, welches in der Skulptur durch präzise berechnete Gegengewichte aus Blei im Inneren der Quadrate ausgelöst wird. 1 Je nach Tageszeit und Sonneneinstrahlung kommt es außerdem zu einer Lichtreflektion der Oberflächen der Quadrate, sodass die Skulptur in einen Dialog mit ihrer Umgebung tritt, von dieser beeinflusst wird und diese beeinflusst. Damit kann die Arbeit exemplarisch für die kinetische Kunst gesehen werden, zu der die Werke George Rickeys gezählt werden. Als bestimmendes Element wird hier eine Bewegung mit in das Kunstwerk einbezogen, die durch Luft, Licht, Wasser, Feuer oder gar chemische Prozesse hervorgerufen wird. Weitere kinetische Werke in Münsters Stadtraum sind Otto Pienes Silberne Frequenz (1970/71) an der Fassade des LWL-Museums für Kunst und Kultur, die sich im Dunklen in ein Spiel aus Lichtmustern verwandelt, oder Heinz Macks Wasser-Plastik (1977), bei der Wasser aus dem obersten Bereich einer hohen Säule aus Metalllamellenpaaren strömt, die nach oben hin leicht schräg angebracht sind, wodurch es zur Bildung eines feinen Nebels kommt, der sich je nach Lichteinfluss visuell verändert.

Wie in anderen Werken Rickeys entsteht durch die spielerische Bewegung der schwerelos wirkenden Quadrate auch bei den Three Squares Gyratory II eine Choreographie, die im Kontrast zu dem schweren Material der Skulptur steht. Gleichzeitig halten durch die Bewegung Komponenten wie Zeit und Rhythmik Einzug in das Werk. Das an sich statische Medium der Skulptur wird aufgebrochen, Bewegung nicht nur angedeutet oder abgebildet, sondern vollzieht sich tatsächlich. Der Künstler äußerte sich über diese Nähe zur Natur durch die konkrete Bewegung wie folgt: „Nicht in der Imitation der Erscheinung bedient sich die kinetische Kunst der ‚Natur’ sondern im Erkennen ihrer Gesetzmäßigkeiten, im Bewußtwerden von Analogien und in der Entsprechung zu dem umfassenden Repertoire von Bewegung und Raum.“ 2

Was aus heutiger Sicht als feinsinnige und durchdachte Skulptur gesehen werden kann, provozierte in den Jahren vor ihrer Aufstellung im Mai 1975 innerhalb der Münsteraner Bevölkerung einen Skandal. Mitte der 1970er Jahre waren nicht-figürliche Skulpturen für viele Bürger:innen noch Neuland, noch dazu im öffentlichen Raum. Zwar entschied sich die 1967 ins Leben gerufene Kunstkommission der Stadt Münster im Herbst 1974 einstimmig für die Aufstellung der Three Squares Gyratory II und somit für die erste non-figurative freistehende Skulptur der Stadt, dennoch sorgte diese Entscheidung für lange Diskussionen im Rat der Stadt Münster und innerhalb der Bevölkerung. Dabei wurde vor allem der Kunstcharakter der Skulptur in Frage gestellt, nicht zuletzt da dieser mit konventionellen Sehgewohnheiten brach. 3 Durch Leserbriefe in der lokalen Presse heizte sich die Stimmung auf, was unter anderem dazu führte, dass Bürger:innen vielfältigste Gegenvorschläge anboten.

Schlussendlich schenkte die WestLB der Stadt die Skulptur, welche im Mai 1975 auf der Engelenschanze aufgestellt wurde. Die emotionsgeladene Debatte wurde in der Folge von Klaus Bußmann – späterer Direktor des LWL-Museums für Kunst und Kultur und einflussreiches Mitglied der Kunstkommission – als Auftrag gesehen, zeitgenössische Tendenzen in der Skulptur in den Blick zu nehmen. Bereits zwei Jahre später wurde dieses Vorhaben gemeinsam mit Kasper König mit der ersten Skulptur Ausstellung in Münster 1977 umgesetzt, die den Weg für die seitdem alle zehn Jahre stattfindenden Skulptur Projekte ebnete.

Franca Zitta

1

Vergleiche hierzu: Barbara Klössel, Moderne Kunst in Münster, Münster 1986, 36; Marisa L. Lalanne, „George Rickey – Drei Rotierende Quadrate, Variation II 1973“ in: Hans Galen (Hrsg.), Zeitgenössische Skulptur im öffentlichen Raum. Das Beispiel Münster, Ausstellungskat. Stadtmuseum Münster, 16. Dezember 1991–15. März 1992, 34.

2

George Rickey in: György Kepes, The Nature of Motion, New York 1965, hier nach: Lalanne 1992, 34–35, 102.

3

Siehe „Die Forschungsgruppe des Skulptur Projekte Archivs im Gespräch mit Klaus Bußmann: Ein Engagement für Kunst und Öffentlichkeit“, in: Hermann Arnhold, Ursula Frohne & Marianne Wagner (Hrsg.), Public Matters: Debatten & Dokumente aus dem Skulptur Projekte Archiv, Köln 2019, 59.