27.6. – 30.6.2024,

Silke Schönfeld: No More Butter Scenes

, Kreativ-Haus

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Silke Schönfeld, No More Butter Scenes (Still Probenaufnahmen), 2024

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Die neuproduzierte Videoinstallation No More Butter Scenes (2024) untersucht das Verhältnis von Zustimmung und Intimität im Kontext des Schauspielberufs. Im Jahr 2007, rund 35 Jahre nach der Premiere von Tango in Paris (1972), sprach die Schauspielerin Maria Schneider erstmals über den sexuellen Missbrauch, den sie während der Dreharbeiten zu der berüchtigten Butterszene erlebt hat. Der Regisseur Bernardo Bertolucci behauptete, nur dadurch, dass er seiner Hauptdarstellerin nicht im Vorfeld sagte, wie die Szene mit Co-Star Marlon Brando ablaufen würde, konnte er ihre authentische Frustration und Wut einfangen.

Ein derart grausamer Regiestil mag wie ein Relikt aus einer archaischen Vergangenheit erscheinen. Doch die #metoo-Bewegung und auch die jüngsten Enthüllungen zu missbräuchlichen Arbeitsbedingungen an Filmsets und Theaterbühnen zeichnen ein anderes Bild. Bei der Aufarbeitung dieser Fälle von Machtmissbrauch wird die Echtheit der Emotionen der Betroffenen immer wieder angezweifelt. Die Glaubwürdigkeit von Schauspieler:innen wird schon deshalb infrage gestellt, weil es ihre Profession sei, Gefühle darzustellen. Überhaupt aber wird die Glaubwürdigkeit traumatisierter Menschen immer dann in Zweifel gezogen, wenn sie z.B. aufgrund von Dissoziation die allgemein erwarteten Emotionen nicht abrufen können.

Die filmische Umsetzung ist als Kammerspiel mit Lola Fuchs und Mervan Ürkmez in den Hauptrollen an das Format der PR-Interviews angelehnt. In diesem ganz eigenen medialen Format, das etwa zur Bewerbung jedes internationalen Blockbusters gehört, folgen die Schauspieler:innen einem Skript. Gespielt wird mit jenem spannungsgeladenen Raum zwischen der Fiktion, die wir auf der großen Leinwand erleben, sowie der Inszenierung der Schauspieler:innen als (vermeintliche) Privatpersonen. Die Authentizität der Interviews wird schleichend dekonstruiert, während die Protagonist:innen die Regeln des unsichtbaren Skripts zunehmend missachten. Der verbale Schlagabtausch zwischen ihnen entwickelt sich auf körperlicher Ebene zu einer Mischung aus Tanz und Kampf. Übungen aus der Intimitätskoordination werden als Choreographien inszeniert.

No More Butter Scenes veranschaulicht am Einzelfall die psychologische Komplexität der Beziehung zwischen Opfer und Täter. Können wir als Publikum Richter über die Glaubwürdigkeit der Emotionen sein? Während wir auf unsere eigenen Vorurteile zurückgeworfen werden, werden die Rollen von Opfer und Täter zwischen den Schauspieler:innen immer wieder neu ausgehandelt.

Silke Schönfeld (geb. 1988) studierte bildende Kunst an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf. Von 2020–2022 war sie Residenzkünstlerin an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Zu ihren Werken zählen u. a. der dokumentarische Kurzfilm Ich darf sie immer alles fragen, der ein intimes, transgenerationales Trauma verhandelt und der den Prolog zu einem autobiografischen Langzeitprojekt bildet. 2023 wurde Ich darf sie immer alles fragen mit dem Preis des NRW Wettbewerbs der Kurzfilmtage Oberhausen sowie dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet. Für das Ruhr Ding: Klima realisierte sie die dreiteilige Videoinstallation Family Business. Ihre Arbeiten wurden zudem in zahlreichen Kunstausstellungen und auf Filmfestivals ausgestellt, u.a. im Goethe-Institut, Paris, CAN Foundation, Seoul, Garage Rotterdam, Building Bridges Art Exchange, Santa Monica. Indem sie persönliche Geschichten mit historischen und sozialen Strukturen verwebt, taucht sie in spezifische Kontexte ein und setzt sich mit ihren eigenen Vorurteilen auseinander. Als teilnehmende Beobachterin rückt sie Menschen in den Fokus, seien es einzelne Protagonist:innen oder gesellschaftliche Gruppen. Während sie diesen folgt, dokumentiert sie Erinnerungen, Rituale, Ideologien und Prozesse der Identitätsbildung.

Kurator:innen: Daniel Huhn + Merle Radtke

Eine Zusammenarbeit mit der Filmwerkstatt Münster im Rahmen des Internationalen Festivals für Tanz, Theater, Performance und Film FLURSTÜCKE 2024.

Das Programm der Kunsthalle Münster wird unterstützt vom Freundeskreis der Kunsthalle Münster.