23.11.2013 – 30.3.2014,

Die Liebe zu den Dingen: Wiebke Bartsch, Alexandra Bircken, Karla Black, Kristina Bræin, Sylvie Fleury, Andreas Gloël, Surasi Kusolwong, Al Masson, Roman Signer, Florian Slotawa, Erwin Wurm, Haegue Yang

, Kunsthalle Münster

Rund 10.000 Dinge besitzt jeder Mensch in der westlichen Welt. Eine unvorstellbare Menge! Seit Anbeginn geht mit der Entwicklung der modernen Industriegesellschaft ein Gefühl des Unbehagens einher, das vor allem kulturkritische Beobachter*innen – von Karl Marx und Sigmund Freud bis Zygmunt Bauman und Charles Taylor – immer wieder formuliert und analysiert haben. So werden beispielsweise Entwicklungen wie die industrielle (Massen-) Produktion von Waren und die Möglichkeit ihres Konsums für alle nicht nur als wesentliche Errungenschaften gefeiert, sondern auch als kulturell bedrohlich gewertet.

Im Jahr 2008 verlieh der britische Anthropologe Daniel Miller in seinem Buch The Comfort of Things dieser kritischen Haltung gegenüber den Dingen eine interessante Wendung. Über die Beziehung zu den Dingen gewinnt er Erkenntnisse über die Beziehung der Menschen zu sich selbst und zu anderen Menschen, und er zeigt auf, wie sich Dinge positiv auf unser Leben auswirken können. Miller sieht in der je spezifischen Anordnung der Dinge in den Wohnungen der Menschen, die er in seiner Feldstudie besucht hat, eine kosmologische Ordnung gespiegelt. Auch in den Kunst- und Kulturwissenschaften und der Amerikanistik wird das Areal um die „Dinge des Alltags“ in den Thing Studies und Material Culture Studies seit einiger Zeit so positiv gewendet, wie es Philosoph*innen wie Walter Benjamin, Michel de Certeau, Jean Améry oder Hannah Arendt in ihren Schriften schon früher formuliert haben.

Die Ausstellung Die Liebe zu den Dingen versammelt vorwiegend installative Arbeiten, in denen sich eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber Dingen widerspiegelt. Die Künstler*innen der Ausstellung nehmen Fragmente des Alltags, der urbanen Umgebung oder vertraute Objekte und stellen sie in einen neuen Kontext. So lassen sie neue Wege entstehen, Dinge wahrzunehmen und Relationen sichtbar zu machen – sowohl für die sinnlich visuelle als auch die intellektuelle Reflektion. Die Gruppenausstellung verwickelt die Besucher*innen in ein subtiles, mitunter ironisches Frage- und Antwortspiel: Hegen die Künstler*innen dabei Vorlieben für bestimmte Dinge? Folgen sie in ihrer Anordnung einer bestimmten Ästhetik? Und wie nehmen die Betrachter*innen diese wahr? Wie gelingt die Bildung von Identifikation über die Funktion und die "Sprache" des Gegenstands? Welche Rolle spielt in diesem Kontext die Oberfläche der Dinge? Gemeinhin vermutete man hinter und unter der Oberfläche eine zu enthüllende Tiefe und somit die wahre Bedeutung der Dinge und Körper. Wurde die Oberfläche aus diesen Gründen lange Zeit gering geschätzt und übersehen?

Die Dinge, die wir um uns akkumuliert haben und wertschätzen, gelten in gewisser Weise als materielles Gerüst für den Aufbau von menschlichen Beziehungen, gesellschaftlichen Strukturen oder Interaktionen, vielleicht sogar für die Entwicklung von Kultur überhaupt. Mit den Dingen erarbeiten wir zwischenmenschliche Beziehungen, geben unseren Gefühlen Gestalt und erschaffen Traditionen. Es lässt sich vielleicht sagen: Die Dinge sind materielle Komplizen in der Bildung menschlicher Identität und Emotionalität.

Die Ausstellung versammelt künstlerische Positionen, die das Potenzial reflektieren, wie die Dinge unsere Identität und unser emotionales Leben in einem alltäglichen Kontext prägen und mitkonstituieren. Die Arbeiten von Wiebke Bartsch, Alexandra Bircken, Karla Black, Kristina Bræin, Sylvie Fleury, Andreas Gloël, Surasi Kusolwong, Al Masson, Roman Signer, Florian Slotawa, Erwin Wurm und Haegue Yang thematisieren jede auf ihre Weise wie die Dinge unsere Handlungen ermöglichen, aber auch begrenzen. Es geht in der Gruppenausstellung vor allem darum zu zeigen, wie die Gegenstände für uns zu Gefühlsträgern werden und wie sie als Gestalt gebende Kraft unser Leben prägen.

Kuratorinnen: Susanne Düchting, Julia Wirxel und Dr. Gail B. Kirkpatrick

Die Ausstellung wird gefördert durch das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen und vom OCA-Office for Contemporary Art Norway.

Das Programm der Kunsthalle Münster wird unterstützt vom Freundeskreis der Kunsthalle Münster.