Tomitaro Nachi, Windspiele, 1995, 51°57'52.4"N 7°37'45.7"E

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Tomitaro Nachi, Windspiele, 1995

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Das Kunstwerk des Japaners Tomitaro Nachi (geb. 1924 in Yokohama, gest. 2007 in Ulm) wurde von der Kartstadt AG in Auftrag gegeben und der Stadt Münster im Jahr 1995 nachträglich zum Stadtjubiläum 1993 als Geschenk überreicht. Für den belebten Platz in Münsters Salzstraße konzipierte der Künstler ein kinetisches Werk, bei dem es zu einem Zusammenspiel von Form, Farbe, Wind und Licht kommt. Dafür stellte er fünf zwischen 6,4 m und 7,4 m hohe Rundmasten aus Edelstahl in regelmäßigen Abständen zueinander auf. Auf jedem Mast ist auf einem Kugellager ein bis zu 3 m langer flaggenähnlicher Aluminiumflügel montiert. Die beweglichen Flügel sind beidseitig farblich gestaltet. Jeweils eine Seite ist mit einem Streifenmuster in verschiedenen Gelb-, Grün- und Blautönen versehen; die andere Seite ist einfarbig gehalten, wobei Nachi die Farben der Streifen wiederholt und um ein dunkleres Blau und Gelb ergänzt hat. Der Mast im Zentrum der Arbeit ist durch eine in den Boden eingelassene ringförmige Granitplatte hervorgehoben, deren Material sich auf das dahinterliegende Kaufhausgebäude bezieht. Auf den umlaufenden Bronzeprofilen finden sich die Namen der internationalen Partnerstädte Münsters: Rishon Le Zion (3.100 km), Mühlhausen (300 km), Lublin (1.000 km), Rjasan (2.000 km), Kristiansand (700 km), York (600 km), Fresno (11.500 km), Orleans (600 km), Monastir (1.800 km).

Bereits ein leichter Windhauch versetzt die drehbaren Flügel in Bewegung: Das Sonnenlicht blitzt auf und erlischt kurz darauf wieder, lässt die Arbeit erleuchten. Besonders die einfarbigen Seiten reflektieren das Sonnenlicht. Bei schwachem Wind bewegen sich die Fahnen gegeneinander, bei starkem Wind positionieren sie sich gleichmäßig in Windrichtung. Lässt der Wind nach, kehren die Flügel in ihre Ausgangspositionen zurück. Die Konzeption der Windspiele beruht auf den physikalischen Prinzipien der Lichtkinetik. Diese beschreibt nicht nur die mechanische Bewegungslehre, sondern auch die daraus resultierenden optischen Einflüsse und Effekte auf Objekte sowie deren individuelle Wahrnehmung durch ein Subjekt. Dabei rückt der Künstler insbesondere das Licht- und Farbenspiel, das durch Umwelteinflüsse wie Wind und Sonne geprägt wird, in den Fokus. Der Künstler macht den kurzweiligen Moment eines Naturphänomens erfahrbar, was ein besonderes Merkmal seines Schaffens markiert. Ähnliche Werke Nachis befinden sich vor dem Uni-Klinikum in Erlangen, in Bremen im Stadtteil Huchtingen und im Olympiazentrum Kiel-Schilksee. Zudem waren seine Skulpturen 1970 und 1972 auf der Venedig-Biennale sowie 1977 auf der documenta in Kassel zu sehen.

Windspiele ist eines von mehreren kinetischen Objekten in Münster, denen gemein ist, dass die vermeintlich statische Form der Skulptur aufgebrochen wird, indem Naturphänomene als künstlerisches Material miteinbezogen werden. Exemplarisch stehen hierfür George Rickeys Three Squares Gyratory II (1973–75), das durch spielerische Bewegung seine Materialeigenschaften in Frage stellt, oder Wasser-Plastik (1977) von Heinz Mack, das mit seinem feinen Wassernebel die Wahrnehmung des Lichts beeinflusst.

Constanze Venjakob