8.7. – 25.9.2006,

Monika Baer. Malerei und Arbeiten auf Papier (1992–2005)

, AZKM

Die in Berlin lebende Künstlerin Monika Baer hat erst nach ihren Studienjahren (1985–1992) an der Düsseldorfer Kunstakademie (bei Professor Hüppi) ihre ersten großformatigen Bilder gemalt. Die Ausstellung gibt mit etwa 25 Gemälden, Zeichnungen und Collagen einen Überblick über das Schaffen der Malerin. Kulissenhafte, menschenleere Landschaften mit "Weißen Kakteen" an einem nächtlich tropischen Gewässer zeigen das Interesse der Künstlerin an der Erkundung räumlicher Phänomene. International bekannt wurde Monika Baer 1998 mit ihrer Mozart-Serie. Schauplatz dieser schrill-farbigen Bilder ist eine panorama-ähnliche Rokokobühne, auf der Menschen wie Marionetten aufgehängt agieren. In ihren neueren Arbeiten, die nun in Münster zu sehen sind, führt Monika Baer die Besucher*innen in eine „Farbwolkenwelt". Das vormals illusionistische Rokoko-Szenario löst sich zugunsten einer schwebenden, aber bewegten Bildatmosphäre auf. Ortlose Räume bringen fragmentierte Gegenstände hervor, um sie wiederum in einer vernebelter Entrücktheit und magischer Entfremdung verschwinden zu lassen. Vielleicht um sie jeglicher ikonographischer Zudringlichkeit zu entziehen.

Thematisch, wenn man überhaupt bei Monika Baers Kunst von einem Thema sprechen kann, geht es um die Visualisierung einer Gedankenwelt: hervorgebracht durch eine körperlich-räumliche Emotionalität. Einer komplexen Emotionalität, die gleichermaßen von inneren Gefühlen wie von der Auseinandersetzung mit der Dinghaftigkeit der Außenwelt bestimmt ist. Eine körperliche Raumwahrnehmung sucht sich mögliche Bildwelten. Es sind Bilder eines komplexen Wunschdenkens. Die Betrachter*innen können sich dem Sog der manchmal abgründigen Realität nicht entziehen. Die Bilder von Monika Baer zählen Geschichten, die sich entfalten, verändern, sie führen in eine Fantasiewelt. Ihr malerisches Werk ist dabei von einer kompositorischen Offenheit durchdrungen, das vieles unentschieden lässt. Die Farbflächen verweben sich wie Wolken auf der Leinwand, verhaken sich ineinander, verbinden sich zu optischen Brennpunkten, um sich dann in eine merkwürdige manchmal herabfließende Leere, zu verflüchtigen. Die Bilder schildern gleichermaßen Situationen von höchster Sinnlichkeit wie unbestimmbarer, räumlicher und zeitlicher Entrückung.

Monika Baers Bildwelt überführt die Betrachterinnen in einen Schwebezustand, der jedoch an Momenten der Außenwelt aneckt und abprallt. Manchmal scheint es, als ob sie bestimmte Vorstellungen in einer „Körperarchitektur" festzuhalten oder zu verankern sucht. Monika Baer selbst vergleicht ihre Bilder manchmal mit einem Kameraschwenk. Dabei können, aber müssen die Leinwände nicht als Bildfolgen gelesen werden. Wie Episoden fließen sie ineinander, oder erzeugen mit dem Blick eines Cutters einen abrupten Szenenwechsel. Aber anders, als viele Künstlerinnen ihrer Generation, ist Monika Baer kaum von der Medialisierung unserer Wirklichkeit beeinflusst. Man sieht keine Pixelstrukturen, comicähnliche Figuren und dergleichen. In gewisser Weise schwebt ihre Kunst über diese Welt der technischen Medialität hinaus. Stattdessen kommt man weiter, wenn man die Verbindungen zur klassischen Bilderwelt akzeptiert, ohne jedoch ihre Deutungsmöglichkeiten zu bemühen. Denn die gemalten Landschaften, Gesichter, Körper – die gesamte naturalistische Gegenständlichkeit – steht gleichberechtigt neben den abstrakten Pinselstrichen, Bleistiftzeichnungen oder Farbwolken. Ohne klar benennbare Ursache und ohne Ziel scheinen die Gegenstände aus dem Farbraum zu kommen, um wiederum in ihm zu verschwinden.

Bringt der Raum die Dinge hervor, oder die Dinge den Raum? Beides scheint möglich, denn das was Baers Bilderwelt zusammenhält sind Zusammenhänge und Bezüge, deren Gesetze jedoch im Verborgenen bleiben. Wie aus einem Füllhorn ergießt sich das Bildrepertoire. Figurative Motive, zeichenhafte Formen oder organische Zeichenfolgen, die sich verwandeln in andere Körperteile, Haare oder Strähnen, feenhaft verwehen oder struppig verfließen. Blumen, Totenschädel, Pfeifen, Rauchwolken, breitkrempelige Hüte oder schöne Frauen – wie Stellvertreter*innen für Anderes tauchen sie auf, durchleben Metamorphosen und tauchen wieder ab. Charakteristisch für die Arbeitsweise von Monika Baer ist die Herbringung von räumlich bewegten „Zeitkörpern", die mit der aufmerksamen Beobachtung der Gleichzeitigkeit im Bildgeschehen während des Malprozesses zusammenhängen. Diese bewegten „Zeitkörper" folgen einer inneren Dynamik, die aus dem Grundelement der Malerei, der Farbe und ihren Möglichkeiten, abgeleitet ist. Diese Farbverwehungen nehmen Gestalt an und können identifiziert werden, als Rauchschwaden, Farbwinde, Farbverwehungen, Farbströme, Wirbel oder Explosionen; als Zigarettenqualm schaffen sie Zeit- und Bedeutungsräume zwischen zwei Menschen.

Vertritt Monika Baer eine typisch weibliche Perspektive? Schwer zu sagen, denn die Künstlerin spielt mit der Möglichkeit des Vertauschens des weiblichen und männlichen Blickes. Sie genießt das Verwirrspiel, lotet die verschiedenen Sichtweisen visuell aus. Die Anwesenheit des Männlichen ist manchmal hintergründig. Manchmal erscheint der Mann als der Jäger – gesichtslos, mit struppigem Haar und Hut. Manchmal in der Form einer fesselnden Architektur, die die Gestalt einer Frau schützt, umhüllt und gleichzeitig behindert. Die Werke von Monika Baer sind energetisch aufgeladen, man könnte meinen, mit einer sinnlichen Emotionalität, einer versponnenen Zärtlichkeit und Erotik, die lautlos hinüber schwebt in ein leidenschaftliches Begehren ohne Anfang und Ende, das vielleicht auch ohne sichtbares Gegenüber auskommt. Aber vielleicht führt uns Monika Baer mit den stets so nahe liegenden Fragen der Geschlechterverhältnisse in die Irre oder in ihre Farbwelten, die sich unaufhörlich auflösen und verändern.

Die Werkschau wurde bereits im Bonnefantenmuseum in Maastricht und in der Pinakothek der Moderne in München gezeigt.

Monika Baer (geb. 1964 in Freiburg in Breisgau, lebt in Berlin) ist eine deutsche Malerin. Von 1985 bis 1992 studierte sie an der Kunstakademie Düsseldorf bei Alfonso Hüppi. 1992 wurde sie seine Meisterschülerin und erhielt ein Paris-Stipendium. 1998 erhielt sie das Peter Mertes Stipendium des Bonner Kunstvereins. Ihre Arbeiten werden in zahlreichen Einzelausstellungen unter anderem im Kunstverein Freiburg (2005), im Kunstverein Hannover (2004), im Portikus Frankfurt a.M. (1998) und in der Kunsthalle St. Gallen (1997).

Das Programm der AZKM wird vom Freundeskreis der AZKM unterstützt.